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“Lasst Euch nicht kleinreden!“ – „Holt Euch Hilfe!“ – „Informiert Euch über Eure Rechte!

Zusammenfassung der ersten Löwenelternreihe des Kinder- und Jugendhilferechtsvereines

„Ich habe das erste Mal wahre Selbsthilfe erlebt“, lautet ein Zitat einer Teilnehmerin nach der ersten Seminarreihe. Und in der Tat wohnt nun, nach einem sechsmonatigen Beratungsprozess, ihre ältere achtjährige Tochter wieder zuhause.

Ihre Erfahrung mit dem Jugendamt fasste sie so zusammen:

„Eltern die Kinder in der Jugendhilfe haben bräuchten eine Rechtschutzversicherung.

Eltern haben oft das Gefühl wie Schuldner und Versager vom Jugendamt behandelt zu werden.“

 

Das Projekt Löweneltern erfährt Förderung und Unterstützung von der Aktion Mensch, des deutschen Kinderhilfswerks und der Software AG Stiftung. Es ist ein weiterer Teil der Projektreihe Noteingang des Kinder- und Jugendhilferechtsverein, welches die ombudschaftliche Beratung des Vereines bekannter und erfahrbarer macht.

Das Löwenelternprojekt setzt sich aus drei Seminaren an jeweils drei Wocheneden von Freitag bis Sonntag zusammen.

Das erste Seminar (6.-8. November 2015) bot den insgesamt neun teilnehmenden Eltern den Rahmen und die Möglichkeit ihre Lebens- und meist auch Leidensgeschichten zu erzählen.

Tränen und erstaunte Gesichter über soviel Demütigungen und Ausgrenzungserfahrungen waren die Begleiter.  Ein Blick in die Rechte (SGB VIII) der Eltern löste weiteres Erstaunen und Entsetzen aus. Schnell offenbarte sich die Tatsache, dass die meisten Eltern zu Beginn der Hilfe nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, seitens des Jugendamtes über ihre Rechte im Hilfeprozess aufgeklärt wurden.

Der Blick und die Reflexion über eigene ermutigende und positive Erfahrungen machten das erste Seminar zu einer positiven Möglichkeit die eigene Geschichte zu verarbeiten und einen positiven Blick in die Zukunft zu wagen. Auch hat sich die Gruppe als vertrauter Rahmen erwiesen der Mut und Kraft für den Alltag geben kann.

So hatten doch alle Eltern eines Gemeinsam:

Sie haben selbstständig das Jugendamt um Hilfe bei der Erziehung ihrer Kinder gebeten.

Wie konnte es dabei zu solchen schlechten Erfahrungen kommen? Um diese und noch weitere Fragen zu beantworten wurde für das nächste Seminar eine Mitarbeiterin des Jugendamtes eingeladen. Auch, um die andere Seite zu(r) (Ant)Wort kommen zu lassen.

Der Inhalt des zweiten Seminares (12. bis 14. Februar 2016) bestand aus persönlichen Fragen basierend auf eigenen Erfahrungen und der eigenen Lebensgeschichte. Adressiert waren die Fragen an das Jugendamt.

Z.B.:

          Darf das Jugendamt eigentlich im Fall einer psychischen Erkrankung über die Medikamentendosis und Therapieform mitbestimmen?

          Wie und in welcher Form arbeitet das Jugendamt eigentlich mit den Familien um sie wieder zusammen zu bringen?

          Darf ich mir meine Jugendamtsmitarbeiterin, -mitarbeiter eigentlich selbst aussuchen?

 

In einer sehr offenen und verständnisvollen Atmosphäre äußerten alle Beteiligenden innerhalb kürzester Zeit Erstaunen und Verwunderung. So war die Jugendamtsmitarbeiterin sehr erstaunt über die demütigende Praxis ihrer Kolleginnen. Das wiederum warf viele Fragen auf, die sie dann an die Teilnehmenden stellte. In einem respektvollen Dialog wurde an dem Nachmittag folgende Aspekte klar:

Eine Hilfe die ohne die Betroffenen organisiert wird und vorbei zielt an den Bedürfnissen und den Bedarf der Familie, scheitert.

 

Je mehr Belastungen (Arbeitslosigkeit, psychische oder chronische physische Erkrankung, Sozialhilfe u.a.) eine Familie ausgesetzt ist um so größer ist ihr Hilfebedarf.

Eine Hilfe kann auch nur dann gelingen, wenn das Jugendamt einen Dialog zwischen allen Beteiligten forciert. 12 Prinzipien schrieben die Eltern und Fachkräfte im zweiten Löwenelternseminar fest:

 

1.      Offenheit für beiden Seiten, d.h.:

     sich nackig machen

     Fehler offen zugeben (Fehlerfreundlichkeit)

 

2.      Eltern sind gewillt und müssen in der Verantwortung bleiben, d.h.:

          Eltern müssen absolut mit einbezogen werden

          Bedürfnisse der Eltern und Kinder berücksichtigen und hören

 

3.      Es muss eine Basis der Verständigung herrschen, d.h.: 

          Konflikte konstruktiv bearbeiteten

          Eine Gemeinsame Sprach finden

          Hilfeplan und Ziele in einer verständlichen Sprache festschreiben

 

4.      Das Hilfeangebot muss erklärt werden, d.h.:

          Möglichkeiten und Unterschiede der Hilfe und entsprechende Einrichtungen müssen erklärt werden

1.      Information über Rechte und Möglichkeiten des Jugendamtes, d.h.:

          Aufklären über die Rechte der Eltern

          intensiven Kontakt zwischen Bearbeiterin und Familie vor allem zu Beginn der Hilfe

 

2.      Intensive Gespräche und regelmäßige Treffen am Anfang einer Hilfe mit Jugendamtsmitarbeiterin, Einrichtung und Familie.

 

3.      Die Ziele müssen abgestimmt sein, d.h.:

     Schritte sind konkret festgeschrieben und abgestimmt

 

 

4.      Es braucht eine Partnerschaft „Teamwork“, die sich im respektvollen miteinander zeigt, d.h.:

       Im Zentrum steht das Kind

       Es muss tatsächlich beteiligt werden

       Dialog der Verständigung

       Einbeziehen als Mensch nicht als Versagender und Schuldiger

       Behandeln als Mensch nicht als Aktennummer

1.      Die Beziehung zwischen Eltern und Kinder muss gestärkt werden, d.h.:

    verbessert und stabilisiert

 

2.      Es braucht Verlässlichkeit, Verbindlichkeit und Sorge von beiden Seiten, d.h.:

     Termine werden eingehalten

   

3.      Unerschrockener, vehementer Umgang von beiden Seiten, d.h.:

      Ängste und Sorgen benennen

 

4.      Für Gespräche muss ein Ort des Vertrauens geschaffen werden, d.h.:

      den Ort des Gespräches abstimmen und nach den Bedürfnissen ausrichten 

 

Das dritte und letzten Seminar (15-17. April 2016) stellte die Reflexion der in den Seminaren erlebten Momente und Erfahrungen in das Zentrum.

Über das Gespräch mit der eingeladenen Jugendamtsmitarbeiterin des zweiten Seminares sagte ein Elternteil:

„Da haben wir auch mal eine andere Seite vom Jugendamt kennengelernt. R.H. konnte zuhören.“

Oder:

„Mit ihr konnten wir erleben, dass sich eine Sozialarbeiterin auch auf ein Gespräch einlässt.“ „Es ist schwer zu verstehen, wie die Leute vom Jugendamt, zu ihren Entscheidungen kommen.“

Und:

„Die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes brauchen mehr Bezug zu den Menschen. Sie sollten sich mehr auf die Eltern einlassen.“

Auf die Frage: Was ratet ihr Eltern, die Hilfen zur Erziehung beziehen?

folgten die Antworten:

-Beistand suchen

-Über mögliche Einrichtungen informieren

-über Rechte informieren und einfordern

-Nachfragen, wenn was nicht verstanden wird

-unabhängige Beratungsstellen aufsuchen

 

Auch wurden immer wieder die Erkenntnisse laut:

– „Eltern müssen mit einbezogen werden und Familien nicht entfremdet.“

– „Jugendamtsbearbeiterin sollte sich der Sache stellen und nicht die Kinder wo    gerade Platz ist reinstecken.“

Und

          „Ich habe in den Seminaren endlich mal wahre Selbsthilfe erfahren.“

 

Resümee und wie geht’s weiter?

Die gesammelten Aussagen und Beobachtungen der teilnehmenden Eltern werden nun gemeinsam in eine Broschüre gebündelt. Sie funktioniert wie einen Wegweiser und Begleiter für die Menschen, die im Labyrinth der Hilfen zu Erziehung feststecken.

 Dazu treffen sich einige Eltern in einer Form des offenen Stammtisches, der auch eine zweite Seminarreihe 2016/2017 konzipiert und organisiert.

 

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